Von der Idee zum Konzept - Bericht der Kreisjugendkonferenz 2024 im Landkreis Konstanz
Es war 2019, als der damals knapp 16-jährige Thomas Racke zusammen mit anderen der Jungen Union ein Programm zur Kommunalwahl schrieb und die Idee hatte, die Einrichtung eines Kreisrats für Jugendliche zu fordern. Die CDU Fraktion griff diesen Vorschlag auf und stellte 2020 einen Antrag auf Einrichtung eines solchen Gremiums im Kreistag. Dieser beauftragte das Kreisjugendreferat mit der Erstellung eines entsprechenden Konzeptes.
Schnell war klar: So ein Konzept sollte nicht über den Kopf von Jugendlichen hinweg erstellt werden, sondern mit ihnen zusammen. Beim Netzwerktreffen 2022 in Hilzingen konnte eine Gruppe von ca. 8-13 Jugendlichen gewonnen werden. Der Kern der Workshop-Gruppe blieb von Anfang bis Ende dabei. Sie schmiedeten ambitionierte Pläne – wie kann es gelingen, dass Jugendliche an Kreisthemen mitwirken können, Jugendliche aus allen soziokulturellen Gruppen zu erreichen, einen breiten politischen Dialog über die verschiedenen Themen und Ansichten hinweg aufzubauen und sich über die teils weiten Strecken im Landkreis gut zu vernetzen? Drei Workshops, vier weiteren Planungstreffen, zahlreiche online Meetings und eine langen Chat Historie später stand das Konzept für die kreisweite Jugendbeteiligung im Landkreis Konstanz. Eine Hauptsäule: Die Einrichtung des Jugendkreisrates. Die andere Säule: Eine jährliche Kreisjugendkonferenz, Jugenddialog-Workshops an Schulen und Jugendeinrichtungen im ganzen Landkreis. Der Zeitplan war anspruchsvoll, in einem dreiviertel Jahr sollte alles auf die Beine gestellt werden.
Gründung des Jugendkreisrats und Kreisjugendkonferenz
Im Februar 2024 startete eine Projektkooperation mit dem Dachverband der Jugendgemeinderäte, gefördert vom Ministerium für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg zur Einrichtung eines Jugendkreisrats im Landkreis Konstanz. Ab Juni 2024 richtete der Kreistag, zunächst befristet, eine halbe Stelle für die Kreisjugendbeteiligung ein.
Es gibt viel zu klären und viel zu tun. Beim Workshop zur Planung der Wahl des Gremiums schlug der Dachverband der Jugendgemeinderäte auf Anraten seiner Wissenschaftlichen Begleitung ein Pilotprojekt vor: Um das Gremium mit Jugendlichen aus möglichst vielen verschiedenen Lebenswelten zu besetzen und nicht nur die üblichen Verdächtigen mit gymnasialem Bildungsweg anzusprechen, könnte die Hälfte der Plätze durch ein Entsendungsverfahren per Los an Jugendliche nach bestimmten Diversitätskriterien vergeben werden – etwa ländlicher Raum, niedriges ökonomisches Einkommen, Inklusionsbedarf, Migrationshintergrund etc. Nach reger Diskussion entschließt das jugendliche Organisationsteam: Insgesamt 26 Plätze soll der Jugendgemeinderat erhalten, dreizehn davon werden per Wahl für die reguläre Amtsperiode von zwei Jahren besetzt, die andere Hälfte per Losverfahren nach Diversitätskriterien zunächst für ein Jahr, um eine überlappende Amtsperiode je der Hälfte des Gremiums einzuleiten.
Es gab vieles zu tun, Plakate und Flyer sowie die Konzeption für die Besetzung des Jugendkreisrates erstellen, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, Konzeption der Schulworkshops und Erstellung der Materialien und die Organisation des Wahlablaufs. Kurz nach Schuljahresbeginn wurden Pakete mit Flyern an Schulen im ganzen Landkreis verschickt. Einerseits galt es, Jugendliche zu finden, die für das neue Gremium kandidieren, andererseits Teilnehmende für die Kreisjugendkonferenz zu gewinnen, um einen breiten politischen Dialog umzusetzen.
Zugleich diskutierte das Jugend-Organisationsteam über die Altersgrenzen und Wohnortsauflagen für die Kandidatur und entwickelt Diversitätskriterien für die Vergabe der Losplätze im Entsendungsverfahren. Schließlich führten wir noch einige Workshops an Schulen im Landkreis durch, in denen Jugendliche mit eigens entwickelten Fragekärtchen über eine Bandbreite politischer Themen in Austausch kamen. Sie hatten viel zu sagen, mehr, als ihnen vielleicht selbst vorher klar war: Einig waren sie sich, dass der ÖPNV ausgebaut werden sollte und die Schulbusse zeitlich besser auf die Unterrichtszeiten abgestimmt sein müssten. Finanzen wurden oft angesprochen, Sorgen vor wachsendem Rassismus, Wünsche nach mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sowie Abbau geschlechts- oder sexualitätsbezogener Diskriminierung.
Der Plan mit den Schulworkshops ging auf, manche wurden neugierig, kamen zur Kreisjugendkonferenz oder überlegten sogar, zu kandidieren. Jugendliche zu erreichen, zumal in der Fläche des Landkreises, braucht Zeit, Begegnungen und Ressourcen. Mit jeder Menge persönlichem Einsatz aller Beteiligten und einigen glücklichen Fügungen gelang der Kraftakt trotz der Kürze der zur Verfügung stehenden Vorlaufzeit.
Stimmungsvolle Kreisjugendkonferenz
Foto: Juliet Brook Blaut - In Workshops entwickelten Jugendliche zu den Themen „Wirtschaft und Tourismus, ÖPNV, Queere Community, Mental Health und Klimaschutz Plakate.
Schließlich kamen zur Kreisjugendkonferenz über beide Tage verteilt 50 Teilnehmende aus dem ganzen Landkreis. Gleich zu Beginn betonten einige: Sie wünschen sich, miteinander nach Lösungen zu suchen, statt sich mit unterschiedlichen Ansichten gegenseitig in Frage zu stellen. Die Stimmung war eindrücklich, alle mit Herzblut dabei. Und während manche sich als Gleichgesinnte fanden und mit Enthusiasmus an ihren Projekten arbeiteten, wurde auch deutlich: Hier kommen junge Menschen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven zusammen und die gesellschaftlichen Polaritäten machen auch vor Jugendlichen nicht halt. Wie gelingt es, einander wechselseitig die eigenen Werte zu vermitteln und dabei offen zu bleiben für die Bedenken, Prioritäten und Perspektiven der Anderen, statt einander zu verurteilen und Meinungen vorschnell abzublocken?
Gerade das macht diesen kreispolitischen Prozess so spannend und wertvoll. Während auf Gemeindeebene oft eher Verwaltungsthemen im Zentrum stehen – wo könnte ein neuer Fußballplatz entstehen? – spürt man, dass es bereits auf Kreisebene darum geht, eigene politische Haltungen zu entwickeln. Der Jugenddialog ermöglicht es, auch über große politische Zusammenhänge ins Gespräch zu gehen, während der Jugendkreisrat sich auf die konkrete Kreisebene und die dort relevanten Themen in seiner alltäglichen Arbeit immer wieder fokussieren wird.
Die Technik AG des Friedrich-Wöhler Gymnasiums baute derweil eine beeindruckende Partytechnik auf. Als am Abend zwar wenige bei sehr schöner Stimmung ausgelassen tanzen, aber auch einige früher nach Hause gegangen sind, resümiert der Abiturient Luka Metz: „Wer hierherkommt, möchte ernsthaft Politik machen, Partys sollten wir vielleicht eher für andere jugendliche Gruppen ausrichten“.
Vorstellung der Kandidierenden für den Jugendkreisrat
Foto: Juliet Brook Blaut - Einige der Kandidierenden stellen sich für die Wahl zum Jugendkreisrat vor
Teilnehmende der Konferenz konnten Fragen an die Kandidierenden in einen Korb werfen, diese wurden später aus dem Publikum gezogen und den zahlreichen anwesenden Kandidatinnen und Kandidaten im Podium gestellt. Nina Kohler vom Dachverband der Jugendgemeinderäte moderierte eine abwechslungsreiche Vorstellung, bei der schnell deutlich wurde, mit welcher Themenpalette sich die jungen Menschen beschäftigen und wie professionell einige von Ihnen bereits über politische Kreisthemen im Bilde sind. Deutlich war zu spüren, wie ernst es ihnen ist, dass sie wirklich Verantwortung übernehmen, mitgestalten und Themen für Jugendliche und den Landkreis voranbringen wollen.
Austausch mit Kreisräten bei der Politikmesse
Foto: Juliet Brook Blaut - Jugendliche betonen, wie viel ihnen der Austausch auf Augenhöhe bei der Politikmesse bedeutet hat
Zur Politikmesse ging es in den Austausch zwischen den Generationen. Wunderbar interaktiv moderiert von Udo Wenzl wurden die Ergebnisse der Workshops von den Projektteams im persönlichen Gespräch ausführlich erläutert und besprochen. Thomas Racke aus dem Jugendorgateam, fasst es so zusammen: „Die Politikmesse war eine super Möglichkeit, mit Kreisrätinnen und Kreisräten ins Gespräch zu kommen und ganz offen und ohne Hemmungen Themen zu diskutieren. Man hatte wirklich das Gefühl, dass einem zugehört wird.“
Fazit: Junge Hoffnung für die Demokratie
Foto: Juliet Brook Blaut - Jugendliche betonen, wie viel ihnen der Austausch auf Augenhöhe bei der Politikmesse bedeutet hat
Am Ende der Konferenz sind wir, die das Ganze im Kreisjugendreferat über Wochen vorbereitet haben, zufrieden, erschöpft – und ein bisschen ehrfürchtig. Es ist, als ob hier ein Funken entfacht wurde, um miteinander über die Verfasstheit unseres Gemeinlebens hier nachzudenken und dabei nach Wegen für gemeinsame Lösungen zu suchen. Sollte dieser Prozess der jüngeren Generation gelingen, würde das viel Hoffnung machen, für die Zukunft unserer Demokratie.
Was auch Hoffnung macht: Als mit dem Ausklingen des Samstags das Bewerbungsportal schließt, haben wir 29 Kandidierende für den neuen Jugendkreisrat. Für dreizehn Wahlplätze. Manche hoffen schon, dass mit dem Losverfahren nicht alle der anderen dreizehn Plätze voll besetzt werden können – dann können nämlich Kandidierende nachrücken. Es sieht so aus, als würde das Gremium bald voll besetzt starten können.